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Gegenwind

Von Judith Dauwalter / 18. März 2014
picture alliance / Zoonar | elxeneize

Von den Quellen erneuerbarer Energie wird keine so heftig diskutiert wie die Windkraft. Schaden Windkraftanlagen Mensch und Umwelt oder sind sie produktive Erzeuger von sauberem Strom? Sagwas-Autorin Judith Dauwalter hat der Präsidentin des Bundesverbands WindEnergie, Sylvia Pilarsky-Grosch. und dem Windkraftgegner Fürst Ferdinand zu Hohenlohe-Bartenstein dazu provokante Fragen gestellt.  Ein langer Turm aus Stahl, an dessen […]

Von den Quellen erneuerbarer Energie wird keine so heftig diskutiert wie die Windkraft. Schaden Windkraftanlagen Mensch und Umwelt oder sind sie produktive Erzeuger von sauberem Strom? Sagwas-Autorin Judith Dauwalter hat der Präsidentin des Bundesverbands WindEnergie, Sylvia Pilarsky-Grosch. und dem Windkraftgegner Fürst Ferdinand zu Hohenlohe-Bartenstein dazu provokante Fragen gestellt.

 Ein langer Turm aus Stahl, an dessen Ende sich ein Rotor mit drei Flügeln dreht: Welche Gedanken kommen Ihnen, wenn Sie ein Windrad sehen?

Ferdinand Fürst zu Hohenlohe-Bartenstein: Ob Windrad, Windpark oder Windfarm: Diese Begriffe sollen ganz bewusst den brutalen Eingriff der Windindustrie in Natur und Landschaft verharmlosen und verniedlichen. Ich würde sie eher Windmonster nennen. Windindustrieanlagen ist eine realistische Bezeichnung.

Sylvia Pilarsky-Grosch: Für mich wird schon von weitem erkennbar: Hier nehmen Bürger die Energieversorgung in ihre eigenen Hände. Hier wird sauberer Strom erzeugt. Hier werden Atomkraft, Kohle, Erdöl und Erdgas zurückgedrängt. Und nicht zuletzt: Hier bleibt die Wertschöpfung vor Ort und landet nicht in den Kassen internationaler Konzerne.

Sind Windräder unwirtschaftlich – oder produktive Jobmotoren?

Pilarsky-Grosch: Strom aus Windanlagen an Land ist schon heute günstiger als der aus Kraftwerksneubauten, die fossile Energie generieren. Und er stabilisiert den Strompreis. Die Branche beweist mit hohem Exportanteil und vielen Beschäftigten eine enorme Innovationskraft. Eine Anlage versorgt mittlerweile bis zu 4.800 Haushalte mit sauberem Strom. Deutsche Windkraft-Dienstleister sind international gefragt. Die Windbranche ist ganz klar ein Job- und Innovationsmotor.

zu Hohenlohe-Bartenstein: Wirtschaftlich mögen die Anlagen vielleicht für die Betreiber und die Anleger sein. Für den Stromkunden aber sind sie immer unwirtschaftlich, denn er zahlt dabei drauf. Wegen der Ökostrom-Umlage und des viel zu hohen Einspeisepreises wird Strom immer teurer, ohne dass der Verbraucher einen Vorteil davon hätte.

Sind Windanlagen denn saubere Energieerzeuger, oder haben sie in Wahrheit eine schlechte Ökobilanz?

zu Hohenlohe-Bartenstein: Da Wind nicht konstant gleich weht, müssen immer Kraftwerke im Standby-Betrieb parallel mitlaufen, um eine gleichbleibende Netzfrequenz zu gewährleisten. Sie verschleudern so sinnlos Energieträger – auf Kosten der Umwelt. Bei starkem Wind muss der überflüssige Strom ans Ausland verschenkt werden, bei Flaute kaufen wir Atomstrom von dort. Windanlagen haben eine katastrophal schlechte Ökobilanz.

Pilarsky-Grosch: Windkraft hat eine ausgezeichnete Ökobilanz! Ein Windrad erzeugt während seiner Laufzeit gut 40 bis 70 Mal so viel Energie wie für seine Herstellung, Nutzung und Entsorgung benötigt wird. Keine andere Stromerzeugungsanlage hat sich nach so kurzer Zeit energetisch amortisiert. Zudem fallen keine Kosten für Umweltverschmutzung oder hochgefährliche Endlagerung an. Und der Wind weht umsonst.

Sind Windkraftanlagen landschaftszerstörend oder optisch attraktiv?

Pilarsky-Grosch: Eine ästhetische Betrachtung hilft uns nicht weiter. Jeder Mensch empfindet unterschiedlich. Aber Kernkraftwerke sehen nicht nur unschön aus, sondern hinterlassen für Generationen gefährlichsten Atommüll. Und Braunkohletagebau greift irreversibel in die Landschaft ein. Bauwerke und Menschen müssen weichen. Die Flächen unter den Windrädern können dagegen weiterhin als Felder und Viehweiden genutzt werden.

zu Hohenlohe-Bartenstein: Windindustrieanlagen sind ein Faustschlag auf’s Auge für die seit Generationen gepflegte Landschaft. Ohne Landschaftsschutz kein Naturschutz!

Haben Windkraftanlagen gesundheitsschädliche Auswirkungen oder sind Nebeneffekte wie Schattenwurf und Schallentwicklung unbedenklich?

Pilarsky-Grosch: Wir nehmen diese Themen ernst, allerdings bestätigen Studien bisher keine negativen Folgen für die Gesundheit. Wie vieles erzeugen auch Windräder Infraschall. Außerhalb der gesetzlichen Mindestabstände ist dieser weder fühl- noch hörbar. Moderne Anlagen sind zudem mit nichtreflektierenden Farben gestrichen. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz beinhaltet klare Vorgaben zu Schallschutz und Schattenwurf in der Nähe von Wohngebieten.

zu Hohenlohe-Bartenstein: In den USA und Australien warnt man vor Infraschall, auch vor solchem, der von Windanlagen ausgeht. In Deutschland werden eine wissenschaftliche Untersuchung oder eine Diskussion darüber erfolgreich unterdrückt. Das Problem Schattenwurf muss man von Fall zu Fall und abhängig von den Abständen zwischen den Anlagen betrachten. In Extremfällen kann dieser aber wirklich sehr störend sein.

Sind Windräder eine Gefahr für Vögel, die eventuell zwischen die Rotorblätter gelangen können?

zu Hohenlohe-Bartenstein: Windräder sind auf alle Fälle Vogelkiller! Die Betreiberfirmen sorgen dafür, dass die von Windrädern erschlagenen Vögel schnell entsorgt werden, wenn sie nicht schon von anderen Tieren gefressen worden sind. Fledermäusen, die den Rotorblättern zu nahe kommen, platzen die Lungen durch Unterdruck. Die großen Naturschutzverbände empfinden das offiziell nicht als problematisch – denn leider stecken sie mit der Windkraftlobby unter einer Decke.

Pilarsky-Grosch: Ornithologen haben herausgefunden: Die Kollisionsgefahr von Vögeln mit Windkraftanlagen ist sehr gering. Auch langfristig beeinträchtigen Windräder das Vogelverhalten nicht. Bedeutende Vogelbrut- und -rastgebiete bleiben bei der Standortwahl ohnehin außen vor. Andere menschliche Eingriffe wie der Bau von Gebäuden oder der Straßenverkehr sind weitaus gefährlicher. Die größte Bedrohung für die Artenvielfalt ist der Klimawandel.

Was sind Alternativen zur Windkraft, Fürst zu Hohenlohe-Bartenstein?

zu Hohenlohe-Bartenstein: Alle Energieträger, die einen jederzeit verfügbaren, bezahlbaren und umweltfreundlichen Strom garantieren. Damit scheiden alle erneuerbaren Energien außer der Wasserkraft aus: Sie sind teuer und vom Wetter abhängig. Fossile und atomare Erzeugungsmöglichkeiten sind bessere Alternativen. Natürlich müssen sie, besonders im Hinblick auf den Umweltschutz und die Abhängigkeit vom Ausland, optimiert werden.

Frau Pilarsky-Grosch, wie lassen sich Gegner der Windkraft doch noch von deren Nutzen überzeugen?

Pilarsky-Grosch: Harte Gegner wie Fürst zu Hohenlohe-Bartenstein lassen sich sicher nicht überzeugen. Wichtig ist dem Bundesverband WindEnergie die Beteiligung der Menschen vor Ort. Die Energiewende wird durch den Mittelstand, Kommunen und Bürgergenossenschaften getragen. Das stellt die Energiewirtschaft auf ein breites gesellschaftliches Fundament und sorgt für Akzeptanz. Dezentral und demokratisch haben tausende Menschen die erneuerbaren Energien vorangebracht.

Laut dem Weltklimarat könnte bis 2050 ein Fünftel aller auf der Welt verbrauchten Energie mit Hilfe von Windkraft erzeugt werden. Wie sieht Ihre Vision für 2050 aus?

zu Hohenlohe-Bartenstein: Vom Weltklimarat halte ich nicht viel. Er besteht nicht aus Wissenschaftlern, sondern aus Politikern, Lobbyisten und Diplomaten. Ich denke, dass sich die Menschheit 2050 nicht mehr von Katastrophenhysterie und Ökoschwindel ins Bockshorn jagen lässt. Nachprüfbare Fakten werden die Entwicklung unserer Energieversorgung bestimmen.

Pilarsky-Grosch: Unser Ziel ist ganz klar. Wir wollen 100 Prozent erneuerbare Energie. Die Energiewende hilft, die Klimaschutzziele zu erreichen. Erneuerbare Energien vermeiden Millionen Tonnen klimaschädliches CO2 und senken die Abhängigkeit von fossilen Energieimporten aus instabilen Regionen. Besonders für Entwicklungsländer, aber auch für Deutschland, ist es wichtig, sich aus der Abhängigkeit von Energieimporten zu befreien.

Sylvia Pilarsky-Grosch ist seit vergangenem Jahr Präsidentin des Bundesverbands WindEnergie (BWE). Die Anwältin steht damit einem Zusammenschluss aus Windunternehmern, Investoren und Privatpersonen vor – einer der größten in Sachen Erneuerbare Energien weltweit. Die mehr als 20.000 Windkraft befürwortenden Mitglieder erwarten vom BWE, dass er ihre Interessen vor der Politik und den Medien vertritt.

Fürst Ferdinand zu Hohenlohe-Bartenstein ist stellvertretender Vorsitzender der Europäischen Plattform gegen Windkraftanlagen (EPAW). Die Vereinigung von 663 Organisationen aus 24 europäischen Ländern will den Ausbau von Windkraftanlagen stoppen. Auch als Vorsitzender des deutschen Bundesverbands Landschaftsschutz kämpft zu Hohenlohe-Bartenstein gegen die Windenergie.

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