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Lernen vor dem Mikro

Von Judith Dauwalter / 3. Februar 2015
Judith Dauwalter / Geschafft: Bei der Montagsaufnahme für die Sendung am Mittwoch waren dieses Mal sechs Mitarbeiter dabei – Johannes Klein, Sophie Scheufen, Franziska Busse, Stefan Heuring, Hannah Ziegler und Carolin Kaiser (v.l.).

Ihr Studium ist eher Nebensache – aber bei den Würzburger Unimedien engagieren sich die Studierenden mit unglaublichem Einsatz, ohne einen Cent dafür zu bekommen. Ihr Lohn besteht aus Freundschaften, Spaß und Fähigkeiten, die in keiner Vorlesung gelehrt werden.

Ihr Studium ist eher Nebensache – aber bei den Würzburger Unimedien engagieren sich die Studierenden mit unglaublichem Einsatz, ohne einen Cent dafür zu bekommen. Ihr Lohn besteht aus Freundschaften, Spaß und Fähigkeiten, die in keiner Vorlesung gelehrt werden.

Die Mikros sind fertig justiert, über Kopfhörer bekommen Moderator Johannes Klein und Moderatorin Hannah Ziegler den Anfangsjingle ihrer Sendung zugespielt. Durch ein Glasfenster haben die beiden Blickkontakt zu den Technikerinnen Carolin Kaiser und Sophie Scheufen im Nebenraum. Die sitzen vor zwei Bildschirmen, gucken auf ein Programm, in dem die rote Aufnahmeleuchte blinkt. Noch einmal besprechen die Moderatoren den Ablauf der Sendung, bevor Klein beginnt: „Hallo und herzlich willkommen nach den Weihnachtsferien, im neuen Jahr!“

Durch ein Glasfenster halten die Technikerinnen Blickkontakt mit den Moderatoren – wenn sie Verbesserungsvorschläge haben, können sie über ein Mikro mit den beiden auf der anderen Seite sprechen. (Foto: Judith Dauwalter)
Durch ein Glasfenster halten die Technikerinnen Blickkontakt mit den Moderatoren – wenn sie Verbesserungsvorschläge haben, können sie über ein Mikro mit den beiden auf der anderen Seite sprechen. (Foto: Judith Dauwalter)

Es ist der erste Hochschulmontag im Jahr 2015, Tag der Aufnahme der zehnten Sendung des Uniradios UR Würzburg. „UR“, das wird ausgesprochen wie „You Are“ und soll verdeutlichen, dass dieses Programm sich an jeden Würzburger Studierenden richtet. „You Are“, das sind heute sechs Mitarbeiter, die Moderatoren, Technikerinnen, die Chefredakteurin und Beitragssprecher, die im professionellen Studio im Zentrum für Mediendidaktik arbeiten. Insgesamt sind „You Are“ mehr als zwanzig Würzburger Studenten, die Woche für Woche eine halbstündige Sendung aufnehmen. Sie überlegen sich Themen und suchen Musik aus, interviewen Menschen und schneiden Töne, feilen an Manuskripten und sprechen vor dem Mikro, mischen Tonspuren und verbreiten ihr Programm online.

Jeder lernt von jedem

„Für mich ist das Uniradio eine Leidenschaft – und oft ist es mir wichtiger als mein Studium“, sagt die 22-jährige Franziska Busse, seit über einem Jahr Chefredakteurin des Radios. Sie studiert im fünften Semester Medienkommunikation. Ihr Kommilitone, der Programmchef und Moderator der aktuellen Sendung, Johannes Klein, 23, ergänzt: „Unser kleines Radio ist so eine tolle Möglichkeit, alles auszuprobieren. Es ist schön zu sehen, wie viel man selbst aktiv verändern kann.“

„Learning by doing“ – das ist beim Würzburger Uniradio Programm. Die Radiomacher bekommen Unterstützung von der Hochschule, die ihnen das Studio zur Verfügung stellt. Insgesamt aber haben die Studierenden ihren Sender selbst in der Hand, sind unabhängig organisiert. Das ist möglich durch die Junge Presse Würzburg (JPW), den lokalen Ableger der Jungen Presse Bayern (JPB). Die Junge Presse ist ein Verein, der junge Medienmacher zusammenschließt, sie fortbildet, Erfahrungsaustausch ermöglicht und angehende Journalisten vernetzt – auf Ebene der Regionalgruppen, bayernweit, in ganz Deutschland über den Dachverband der Jugendpresse Deutschland, aber auch über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus.

Rund vierzig der 500 JPB-Mitglieder leben im Einzugsbereich der JPW. „Die Würzburger Gruppe ist ein großes Vorbild für andere“, sagt JPB-Vorstand Stephan Albrecht. „Denn unsere Idee, auf regionaler Ebene zu zeigen, was die JPB ist, wird in Würzburg hervorragend umgesetzt.“ Die ehrenamtlichen jungen Medienmacher setzen sich unermüdlich dafür ein, so Albrecht, „dass wir unser Wissen mit anderen teilen und es untereinander austauschen können. Denn jeder lernt von jedem.“

Unverkrampftes Experimentieren

In Würzburg geschieht das nicht nur beim Uniradio. Es gibt noch eine andere aktive Redaktion der Studierenden, die zwei Mal pro Semester ihr Hochschulmagazin Max&Julius (M&J) herausgibt. Dieses wird ebenfalls von der Jungen Presse Würzburg verantwortet. Katharina Stahl war eineinhalb Jahre lang Chefredakteurin, nach der 25. Ausgabe machen sie und Kollegin Bea May Platz für die Nachfolge.

Katharina Stahl hat wie viele Ehrenämtler nicht nur eine Aufgabe. Korrekturlesen, die Zeitung druckfertig machen, sie verteilen, den Schülerzeitungs-Workshop vorbereiten – und gleichzeitig noch als Tutorin an der Uni jobben: Stahls Terminkalender ist prall gefüllt.

Ein persönlicher Kaffee zum Interview ist da leider nicht drin. Am Telefon aber sprudeln die Worte aus Stahl heraus, sie wirkt glücklich, erfüllt und stolz. Gerade hat sie die neueste Ausgabe des Magazins über eine App online gestellt. Das Cover ziert eine Weltkugel, auf der sich im Kreis Menschen unterschiedlichsten Aussehens an der Hand halten. Darunter steht: „wie hältst du’s mit toleranz?“. Das Magazin ist hochaktuell und liefert unter anderem Beiträge über Pegida und Asyl.

„Seit ich bei der Unizeitung bin, nehme ich die ganze Stadt intensiver wahr und bekomme einen besseren Einblick in Kommunal-, aber auch Hochschul- und Kulturpolitik“, erzählt die scheidende Chefredakteurin. Diese Erfahrungen gibt Stahl weiter, etwa an M&J-Nachwuchsautoren, teilweise aus dem ersten Semester, denen sie „journalistisches Werkzeug“ vermitteln und sie „völlig unverkrampft“ experimentieren lassen will. „Es ist echt hart für mich, als Chefredakteurin aufzuhören“, gibt Stahl zu. „Aber ich bin gespannt, was aus dem Magazin wird.“

Selbstbewusster und entspannter

Wichtig findet die 22 Jahre alte Germanistik- und Politikstudentin auch, den ganz Kleinen zu vermitteln, wie wichtig Journalismus allgemein und die Zeitung im Besonderen ist. Zusammen mit dem Kreisjugendring helfen Stahl und ihre M&J-Nachfolgerin Carina Peter deshalb Viert- und Fünftklässlern, eine Schülerzeitung zu gründen. „Wenn sie sich beim Schreiben selbstständig mit Ereignissen wie etwa zuletzt den Pariser Attentaten beschäftigen, dann hilft das ihnen, diese besser einzuordnen“, erklärt Stahl. Stahl und Peter helfen den Kindern bei der Themenfindung, erklären Grundbegriffe des Schülerzeitungsmachens und geben Tipps, wie die Schüler sich gegen eine mögliche Zensur durch die Schulleitung wehren können.

Dass Stahl durch ihr vielseitiges Engagement ein Semester mehr bis zum Bachelorabschluss braucht, hat sich „auf jeden Fall“ gelohnt, findet die Studentin. „Ich bin selbstbewusster und entspannter geworden. Ich habe gelernt, bei Schwierigkeiten Ruhe zu bewahren und dass jedes Problem lösbar ist – auch wenn diese Lösung nicht perfekt sein muss.“

Mehr als Lebenslauf-Verschönerung

Die Chefredakteurin spricht von „soft skills“, von denen in der Uni ständig die Rede ist – die im Hörsaal, Seminarraum oder auf der Jagd nach ECTS-Punkten aber nur selten erlernbar sind. Beim Uniradio, dem Magazin und der Jungen Presse bekommt man sie zuhauf.

Da müssen die Studierenden lernen, ein Team zu bilden und zusammenzuhalten, Förderanträge zu stellen, sich mit Unterstützern zu treffen, Sitzungen zu organisieren, geduldig und kreativ zu sein, Schwierigkeiten anzugehen und über Probleme zu sprechen.

Obwohl ihr Engagement teilweise anstrengend ist wie ein Vollzeitjob, erzählen die Würzburger Studenten mit großer Begeisterung davon. Denn das, was sie einbringen, kommt zurück – nicht nur in Form von Fähigkeiten, die gut in den Lebenslauf passen. Oft erleben die Studierenden Dinge zusammen, zum Beispiel den Bandcontest mit „genialer Stimmung“, den Franziska Busse und ihre Kollegen vom Uniradio organisiert haben, außerdem Weihnachtsfeiern und Wohnheimpartys. Auf diesen Events werden aus Arbeitskollegen Freunde.

Katharina Stahl fasst zusammen:„Es ist eine ganz andere Dimension von Freundschaft, wenn man zusammen an etwas arbeitet. Du lernst, wie du dich auf den anderen verlassen kannst, und dass du auf ihn eingehen musst.“ Sie und Chefredaktionskollegin Bea May sind durch die gemeinsame M&J-Leitung zu engen Freundinnen geworden – für ihr Masterstudium gehen sie zusammen nach Bamberg.

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