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Lobby gegen Lobbyismus

Von Europa Konferenz / 5. Dezember 2015
Foto: Elisa Seith

Die Rollen sind klar verteilt im Lobbyismus. Es gibt die bösen Lobbyist_innen und die guten, die sie bekämpfen. Doch ist es wirklich so einfach? Wer zieht wirklich die Fäden in Brüssel und gibt es vielleicht sogar gute Lobbyist_innen?

Dieser Stoff ist hollywoodreif. Kämpfer_innen die einen Kampf gegen die Mächtigen führen. Hinter den Machthaber_innen stehen die bösen Berater_innen, die jede noch so verwerfliche Idee in ihrem Interesse durchsetzen.

In der Traumfabrik Europa fällt diese Rolle den Lobbyist_innen zu. Sie spielen auch in diesem Film die Rolle, die sie immer spielen. Die des Feindes, den es zu besiegen gilt. Die Stimmen im Hintergrund, die einem zuflüstern, unmoralische und falsche Dinge zu tun, um Industrieinteressen zu wahren. Oft werden Politiker_innen als Marionetten dargestellt, die nach den Befehlen der Lobbyvertreter_innen, Politikberater_innen oder Public Affairs Manager_innen tanzen.

Diese Darstellung bezeichnet Nina Katzemich, EU-Campaignerin von LobbyControl, gegenüber den Abgeordneten im EU-Parlament als unfair. »Viele Abgeordnete machen gute Arbeit. Doch es ist auch nicht immer leicht« so Katzemich. Lobbyist_innen suchten sich die Abgeordneten gezielt aus. »Ein Teil wird so durch Drohungen oder weil sie es nicht besser wissen zu Opfern von Lobbyisten.«

Politics from Lobby?
Um das zu vermeiden, hat LobbyControl im Rahmen der Europawahl 2014 eine Kampagne namens »Politics for People« ins Leben gerufen. Von den Unterzeichner_innen sind 180 heute Abgeordnete des Europaparlaments, darunter auch Parla­mentspräsident Martin Schulz.

Sie wollen gewährleisten, dass die Demokratie nicht vom Lobbyismus ausgehöhlt wird. Diese Gefahr sieht auch Nina Katzemich: »Lobbyisten haben nicht an jedem Prozess gleichermaßen Interessen. Dennoch gibt es einige Themen, bei denen der demokratische Prozess teilweise ausgehöhlt und beschädigt wird.«

Sie weist jedoch darauf hin, dass die Arbeit von Lobbbyist_innen schon lange vorher beginnt, bevor ein Gesetzesvorschlag überhaupt in das Parlament eingebracht wird. Sogar in der Kommission sitzen Lobbyist_innen in den Expertengruppen.

Eine erfolgreiche Strategie
Für Katzemich ist das nicht immer schlecht: »Die Themen in der EU sind oft komplex. Es geht da zum Beispiel um Chemierichtlinien. Bei den Abgeordneten entsteht Erklärungsbedarf. Hier bieten sich die Lobbyist_innen als Erklärer an.«

Dennoch sei es sehr schwer, nur zu informieren, denn die Lobbyist_innen vertreten durch ihre Arbeit auch die Interessen ihrer Unternehmen. Allerdings haben nicht nur Unternehmen Lobbyist_innen vor Ort in Brüssel. Darüber hinaus pflegen auch NGOs und nicht zuletzt Regierungen den direkt Kontakt mit EU-Institutionen.

Katzemich erklärt, dass alleine die Masse an Lobbyist_innen, die stetig steigt, ein aktives Zugehen von Politiker_innen auf Verbände fordern, um sicher zu gehen, dass alle Meinungen berücksichtigt werden. »Sie müssen es wollen, die anderen Lobbyisten zu hören.« Denn vor allem die Lobbyist_innen von Unternehmen gehen sehr schlau und gezielt vor.

Die Zigarettenlobby zum Beispiel hat sich für eine neue Tabakreform »einzelne Abgeordnete vorgeknüpft«. Von ihnen war keiner aus dem Gesundheitsausschuss, den schloss man von vorne herein aus. Der einfachere Weg führte über Abgeordnete aus dem Rechts- und Wirtschaftsausschuss. Die Strategie zeigte sich als erfolgreich, die Richtlinie wurde mehrfach verschoben.

Oft sind die Änderungsanträge der Unternehmen schon vorgeschrieben, sodass die Abgeordneten sie nur noch im Plenum einbringen müssen. Dies führte in der Vergangenheit zu Peinlichkeiten, wenn mehrere Abgeordnete den selben Änderungsantrag stellten.

Feuer mit Feuer
Verbände und Lobbyaktivist_innen fordern deshalb mehr Transparenz in Form eines Lobbyregisters. Zu den Unterstützer_innen dieser Forderung gehört überraschenderweise auch die Deutsche Gesellschaft für Politikberatung.

Es gibt in der Bevölkerung inzwischen ein größeres Bewusstsein für Lobby-Vorgänge, das auch medial immer mehr Aufmerksamkeit bekommt. Doch nicht immer sind die Kämpfer_innen gegen die Bösen auch wirklich die Guten: Immer mehr nationalistische und populistische Parteien entdecken Lobbyismus als Thema für sich. So sieht sich die rechtsextreme Partei Front National als Wortführer einer Anti-TTIP Koalition.

Doch auch bei deutschen populistischen Parteien gewinnt das Thema an Relevanz. Mit der Intention, sich als volksnah darzustellen, wettern sie gegen etablierte Parteien, die sie als »lobbyverseucht« diffamieren. Nicht gerade die »Guten«, die man sich in einem EU-Film wünscht. Vielleicht ist dieses Mal der Antagonist der Held in der Geschichte. In der Gestalt der Lobbyarbeit von antifaschistischen Bündnissen.

Text: Anna Steinmeier, Foto: Elisa Seith

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