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Fan und Fahne: Flagge zeigen während der EM

Von Anina Kühner / 16. Juni 2016
picture alliance / dpa | Revierfoto

Es ist wieder soweit – die Europameisterschaft zieht täglich Millionen vor die Leinwände der Republik. Gleichzeitig werden überall in Deutschland schwarz-rot-goldene Fahnen ausgepackt. Welche Botschaft vermitteln die allgegenwärtigen Nationalfarben im Jahr 2016?

Spätestens seit der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland ist ein internationales Fußballturnier ohne schwarz-rot-goldenes Fahnenmeer hierzulande kaum vorstellbar. Bislang schien es, als würde die Mehrzahl der Fußballfans auf diese Weise vor allem Sportbegeisterung demonstrieren. Gerade auf die WM 2006 reagierte auch das Ausland überwiegend positiv – zumindest das Image der Deutschen als humorlose Partymuffel war passé.

Fähnchen im Partypatriotismus

Die Frage, ob Deutschland sich mit Blick auf seine nationalsozialistische Vergangenheit gefahr- und bedenkenlos einem alle zwei Jahre wiederkehrenden Partypatriotismus widmen darf, sorgt gesellschaftlich immer wieder für Kontroversen. Ich persönlich drücke bei internationalen Sportereignissen dem deutschen Team die Daumen. Bislang hatte ich auch kein Problem damit, mir schwarz-rot-goldene Fähnchen auf die Wangen zu pinseln. Wir sollten die deutschen Nationalfarben nicht generell ablehnen.

Dennoch ist im Jahr 2016 etwas anders als im Jahr 2006. Die AfD ist auf den Plan getreten und versammelt mit rechten Parolen erschreckend viele Wähler hinter sich. Pegida marschiert regelmäßig durch Dresden und bedient sich dabei zum Zweck des Fremdenhasses der deutschen Flagge. Mich beschleicht deswegen ein zumindest ambivalentes Gefühl, wenn ich die schwarz-rot-goldenen Fanartikel ausgrabe.

Der Patriotismus, den gerade die AfD immer wieder beschwört, hat mit meinem Bild von Deutschland und auch von dem der deutschen Fahne nichts zu tun. Warum sollte ich stolz sein, dass ich zufällig in Deutschland geboren bin? Wieso bedient sich ausgerechnet eine Partei, welche die Abgrenzung der eigenen Nation gegen andere und die Abschottung nach außen über alles stellt, einer Fahne, die traditionell für Demokratie und Aufklärung steht?

Die Nazis ächteten die schwarz-rot-goldene Flagge der Weimarer Republik und führten das Hakenkreuz ein. Umso ärgerlicher, dass es ausgerechnet rechten, inhumanen und rückwärtsgewandten Kräften gelungen ist, dass viele mittlerweile die deutsche Fahne mit ihnen assoziieren. Da erscheint es weitaus schlüssiger, dass deutsche Hooligans in Frankreich mit der Reichskriegsflagge posieren, wie kürzlich geschehen.

Allzu enges Verhältnis zur deutschen Flagge

Im Angesicht des aktuellen politischen Geschehens werde ich vorsichtig, wenn jemand sein Haus oder Auto allzu eifrig in Schwarz-Rot-Gold dekoriert. Diese Vorsicht ist nicht unberechtigt, auch weil kuriose „Diskussionsformen“ entstanden sind. Als die Grüne Jugend Rheinland-Pfalz vor wenigen Tagen die deutschen Fußballfans dazu aufforderte, während der EM statt der Nationalfahne die des Deutschen Fußballbundes zu verwenden, hagelte es in Foren wüste Beleidigungen bis hin zu Morddrohungen. Wem angesichts eines solchen konstruktiven Vorschlages derartige Entgleisungen unterlaufen, dem darf man getrost unreflektierten Nationalismus und ein – gelinde gesagt – unnatürlich enges Verhältnis zur deutschen Fahne unterstellen. Und mit so einer Haltung möchte ich mich nicht gemein machen.

Wem sollten wir die Deutungshoheit über das, was Deutschland ausmacht, überlassen? Denen, die am lautesten schreien und Schwarz-Rot-Gold als Symbol für einen gefährlichen Nationalismus missbrauchen? Oder denjenigen, die in der Lage sind, einen normalen Diskurs zu führen und die Stärke dieses Landes gerade in seiner Verfassung und seiner Weltoffenheit zu begreifen – also auch in dem, was die Farben der deutschen Fahne seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges eigentlich ausdrücken?

Die DFB-Fahne werde ich mir vermutlich nicht um die Schultern werfen, um das deutsche Team anzufeuern, denn ich finde die Institution des Fußballbundes nicht uneingeschränkt unterstützenswert – die deutsche Demokratie und ihre Verfassung dagegen schon. Natürlich zeigt sich bei der EM an jeder Fahne zumeist auch schlicht und einfach, zu welcher Mannschaft der Fan hält, ganz ohne Hintergedanken.

Ganz so entspannt wie noch 2006 ist mein Verhältnis zu Schwarz-Rot-Gold nicht mehr, auch wenn ich mich weigere, diese Farben AfD und Pegida zu überlassen.

Vor diesem Hintergrund ist es zunehmend wichtig, überall, auf der Fanmeile, im heimischen Wohnzimmer, auf der Straße, laut und deutlich zu formulieren, dass Nationalismus und Rassismus keinen Platz in dieser Gesellschaft haben. Die Fahne selbst sagt nicht viel, sehr wohl jedoch derjenige, der sie trägt und mit Bedeutung auflädt.

Quelle zur WM 2006:

http://www.3sat.de/page/?source=/scobel/171605/index.html

Quelle zu Hooligans:

http://www.mdr.de/nachrichten/deutsche-hooligans-in-frankreich-100.html

Quelle zur Grünen Jugend:

http://www.derwesten.de/politik/gruene-jugend-sagt-nein-zur-flagge-und-kassiert-shitstorm-id11909920.html

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