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Zeichen setzen

Von Ariana Dongus / 23. August 2016
picture alliance / dpa | Armin Weigel

Welche Position nimmt die Kirche in der aktuellen Flüchtlingskrise ein? In Regensburg zeichnet sich ein Drama ab, das keinen Applaus verdient.

Anfang Juli suchten 45 Geflüchtete im Regensburger Dom Zuflucht. So könnte diese Geschichte beginnen. Das Erzbistum Regensburg sagt dagegen: Anfang Juli besetzten 45 Geflüchtete den Regensburger Dom. Und stellte gut einen Monat später, am 5. August, Anzeige gegen die Geflüchteten wegen Hausfriedensbruch.

Aber von vorne: Da die medizinische und hygienische Versorgung im Durchgangsbereich des Hauptschiffs, wo etliche Liegen eng nebeneinanderstehen, nicht sichergestellt werden kann, ziehen die Menschen nach Verhandlungen mit dem Generalvikar des Bistums, Michael Fuchs, bald aus dem Dom in das nahegelegene Pfarrheim St. Emmeram. Sie protestieren mit dieser Aktion für ihr Bleiberecht und gegen die Einstufung der Westbalkanländer als sichere Herkunftsländer. Einige hatten bereits einen Abschiebebescheid erhalten und waren im Vorfeld teils in den verrufenen bayrischen Abschiebezentren in Bamberg und Manching bei Ingolstadt untergebracht.

Lob und Kritik für bayrische Abschiebepraxis

Diese eigens für Geflüchtete mit geringen „Bleibeperspektiven“ eingerichteten „Aufnahme- und Rückführungszentren“ stehen seit ihrer Eröffnung immer wieder in der Kritik. Denn die Bezeichnung „Aufnahme- und Rückführungszentrum“ suggeriert, dass seit der Eröffnung der Zentren am 1. September 2015 auch Asylanträge bewilligt worden sind, obwohl jedoch keinem einzigen Antrag stattgegeben wurde. Vielmehr ist es erklärtes Ziel, möglichst effizient Abschiebungen durchzuführen. „Wir brauchen schnelle Verfahren und ein klares Signal für die, die nicht bleiben werden, damit sie Deutschland schnell wieder verlassen“, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière bei einem Besuch des Bamberger Rückführungszentrums zwei Monate nach dessen Eröffnung und lobte dabei die Abschiebepraxis in Bayern.

Der bayrische Flüchtlingsrat kritisierte diese Praxis scharf. Es sei ein Asylschnell-verfahren bei dem die Geflüchteten bis zur Abschiebung kaserniert würden und unter menschenunwürdigen Bedingungen (keine abschließbaren Türen, keine Beratung, Verbot, selbst zu kochen) ausharren müssten. Zudem würden die Asylverfahren nicht nach rechtsstaatlichen Verfahrensweisen durchgeführt, sondern nach äußerst oberflächlicher Anhörung und Prüfung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in der Regel als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Kritik kam jedoch nicht nur von Seiten des Flüchtlingsrates: Am 23. September 2015 eröffnete die EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und andere Staaten und forderte mehr Verantwortung bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise. In einem Schreiben wird die ausreichende Bereitstellung materieller Leistungen wie dem Zugang zu Unterkunft, Verpflegung, Gesundheitsversorgung und Beschäftigung sowie zu medizinischer und psychologischer Versorgung angemahnt.

Es gibt kein Kirchenasyl

Bei den geflüchteten Menschen in Regensburg handelt es sich zum Großteil um Roma, die aus Serbien, Mazedonien, Albanien, Montenegro oder dem Kosovo geflohen sind. Roma werden dort auch heute noch vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Sie können meist weder arbeiten, noch eine Ausbildung aufnehmen oder das Gesundheitssystem in Anspruch nehmen. Die Gruppe bat das Erzbistum Regensburg um Kirchenasyl. Vergebens. „Es handelt sich um eine geduldete Präsenz. Wir entscheiden von Tag zu Tag, wie es weitergeht“, berichtet Bistumssprecher Jakob Schötz der Süddeutschen Zeitung.

In einer Presseerklärung des Bistums heißt es, dass die Kirche nicht der Staat sei, der Protest im Dom und im Pfarrheim sich von Anfang an den falschen Adressaten gewandt und die falschen Mittel gebraucht habe: „Wer Änderungen im Asylrecht herbeiführen möchte, muss sich in einem demokratischen Staat im argumentativen Diskurs um Mehrheiten mühen. Eine gewaltsame Abkürzung darf es nicht geben; sie wird auch künftig nicht geduldet, weil sie die Religionsfreiheit und die demokratischen Grundregeln gleichermaßen verletzt“. Die Kinder seien „von Anfang an als Transparent-Halter, als Foto-Objekte an der Protestfront, ja in konkreten Drohungen sogar als mögliche Waisenkinder durch Selbstmord der Erwachsenen und als mögliche Tötungsopfer“ benutzt worden, so Fuchs. Man solle zudem deutlich machen, dass diese Gruppe nicht für alle Roma sprechen darf, meint Hamze Bytyci vom Verein Romatrial. Seit seiner Jugend setzt sich Hamze Bytyci für die Rechte der Roma ein. Er befürchtet, dass sich Erfahrungen und Eindrücke, die die Protestgruppe in ihrem Umfeld hinterlassen hat, negativ für alle Roma auswirken könnten.

Es versteht sich von selbst, dass Kirchen keine rechtsfreien Räume sind. Auch ist Kirchenasyl kein Grundrecht. Dennoch gibt es vom Bistum Regensburg bis heute kein Wort der Kritik über die Politik und Praxis einer rigorosen und als verfassungswidrig eingestuften Abschiebepraxis in den bayrischen Rückführungszentren. Unkommentiert bleiben die auch kasernenhaften Lebensbedingungen oder etwa die Tatsache, dass Kinder, die nach Bamberg verlegt wurden, zunächst ausgeschult wurden. Erst durch erfolgreiche Klagen konnten die Kinder wieder die Schule besuchen.

Warum hat das Bistum seine Position nicht genutzt, um auf diese Zustände hinzuweisen? Gerade die mediale, vielfach überregionale Berichterstattung, hätte dazu genutzt werden können. So hinterläßt die Kritik Papst Franziskus’ an der Schließung der Balkanroute im März, sein Aufruf zu mehr Barmherzigkeit in der Flüchtlingskrise und sein Anprangern verschlossener Türen und Herzen einen fahlen Nachgeschmack.

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