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Besser als BAföG

Von Madlen Schäfer / 31. Juli 2017
picture alliance / dpa Themendienst | Monique Wuestenhagen

Seit 1971 erhalten Studierende in Deutschland abhängig vom Einkommen der Eltern finanzielle Unterstützung vom Staat. Das ist gut gemeint, aber nicht mehr unbedingt gut gemacht.

Die Eintrittskarte für die Aufnahme eines Studiums ist für viele Deutsche nicht das Abitur, sondern die dafür nötige staatliche Studienfinanzierung. Denn ohne das Bundesausbildungsförderungsgesetz – besser bekannt als BAföG – würden wohl deutlich weniger Studierende einen (bezahlbaren) Weg an die Hochschulen finden. Laut Statistischem Bundesamt bezogen im Jahr 2015 rund 870.000 Studierende diese Form der Ausbildungsunterstützung. Fast die Hälfte aller Bezieher erhielt mit 670 Euro pro Monat den damaligen Höchstförderungssatz. Berechnet wird dieser anhand des Einkommens der Eltern. Je höher dieses ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Studierende die Förderung auch bekommen können.

Bereits seit mehr als 45 Jahren behauptet sich BAföG in Deutschland. Obwohl der Höchstsatz mittlerweile bei 735 Euro monatlich liegt und sogar Schüler sowie Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft BAföG beziehen dürfen, sind noch immer längst nicht alle mit dem Konzept zufrieden. „Die Ausbildungsförderung ist reformbedürftig. Sie kann Benachteiligungen von Schüler_innen und Studierenden aus finanzschwachen Elternhäusern nicht hinreichend ausgleichen“, heißt es etwa im aktuellen Alternativen BAföG-Bericht der DGB-Jugend.

Noch immer zu ungerecht sei es, viele Abiturienten würden weiterhin auf der Strecke bleiben. Sie fallen aus unterschiedlichen Gründen aus der Berechnung heraus, obwohl sie für ihr Studium auf die staatliche Finanzspritze angewiesen wären. Und wenngleich die Bundesregierung die Bedarfssätze wiederholt angepasst hat, steht auch die Höhe der Förderung stetig im Fokus der Kritik. Aber welche konreten Verbesserungen bieten Kritiker an?

Unabhängige Studierende

Alternative Studienfinanzierungsmöglichkeiten hat es in der Vergangenheit zwar gegeben, gegen das BAföG hatten sie aber keine Chance. Das Deutsche Studentenwerk erarbeitete im Jahr 1995 ein Drei-Körbe-Modell. Hierbei sollten Studierende bei einer Höchstförderung zwei Körbe erhalten, die finanziell den Lebensunterhalt garantieren sollten. Bei Überschreitung der Förderungsdauer hätten Studierende die Option auf den dritten Korb gehabt: ein verzinstes Darlehen. Den ersten Korb in Höhe von 400 DM monatlich sollte sogar unabhängig vom Einkommen der Eltern jeder Studierende erhalten.

Die Grünen wiederum schlugen 1997 einen sogenannten Bundesausbildungsförderungsfonds (BAFF) vor. Als eine Art Ausbildungskasse sollten alle Studierenden elternunabhängig pro Monat nicht weniger als 1050 DM zwölf Semester lang zur Verfügung gestellt bekommen. Anschließend hätten Bezieher die Chance gehabt, dieses in einem Zeitraum von bis zu 25 Jahren mit fünf Prozent ihres Einkommens zurückzuzahlen.

Auch die Idee einer Grundsicherung für alle Studierenden kam bereits in den 1990er-Jahren auf. In dieser Hinsicht reformiert wurde das BAföG trotz der bekannten Schwächen mangels politischer Mehrheiten aber nicht.

Warum Skandinavien als Vorbild taugt

Rückendeckung für das Festhalten am altbewährten BAföG-Prinzip erhält die aktuelle Bundesregierung dank vorzeigbarer Zahlen. Noch nie haben so viele Studierende die Studienfinanzierung bezogen wie heute. Auch waren mit 2,8 Millionen Studierenden niemals zuvor in Deutschland so viele Menschen an einer Hochschule eingeschrieben. Eine internationale Vergleichsstudie aus Kanada, die die Finanzierungstypen in insgesamt 40 Ländern untersucht hat, bescheinigt dem deutschen Modell ebenfalls einen positiven Effekt. Negativ schnitten dagegen Spanien, die Philippinen und USA ab. Dort verschlechterte sich der Zugang zur Hochschulbildung laut den Urhebern der Studie.

Schweden, Norwegen, Dänemark und Finnland nehmen Studierende als „eigenverantwortliche Bürger“ wahr

Dass es der deutschen Erfolgsgeschichte zum Trotz noch besser, noch gerechter geht, zeigt sich Jahr für Jahr bei unseren nordischen Nachbarn. In den skandinavischen Ländern können Studierende längst unabhängig von ihren Eltern und deren Einkommen agieren. Was das bedeutet, hat Jochen Dahm bereits 2011 festgehalten. Vor allem Schweden, Norwegen, Dänemark und Finnland nehmen Studierende als „eigenverantwortliche Bürger“ wahr und sehen darin einen Grund, jede individuelle Ausbildung finanziell zu fördern. Und Studiengebühren zu verbieten.

Das Ergebnis? Mithilfe von Darlehen und staatlichen Zuschüssen studieren in diesen Ländern fast alle Menschen, wohnen nicht mehr bei den Eltern und können somit eigenständiger entscheiden, wie sie leben wollen. Die Bundesrepublik sieht laut Dahms Einschätzung Studierende dagegen weiterhin als „heranwachsende Auszubildende“ an, die darauf angewiesen sind, dass in erster Linie ihre Eltern ihren Ausbildungswunsch unterstützen. Dass in Zukunft neue Berufsbiografien zunehmend späte Studienzeiten mit sich bringen, weil zum Beispiel ein Zweitstudium als Fortbildungsmöglichkeit erforderlich ist, ist hier noch nicht angekommen. An der Altersgrenze für die Förderung wird auch festgehalten, selbst wenn es Ausnahmeregeln gibt. Zeitgemäß oder gar vorausschauend ist das nicht.

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