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ProHilfe aus dem All

Von Stephanie Jonczyk / 7. Juli 2017
picture alliance / Panther Media | sebastien decoret

Die Erforschung des Alls ist kein Luxus, sondern eine Investition in unseren Alltag. Viele für das Leben im Weltraum entwickelte Technologien nutzen wir täglich. Marsexpeditionen sind der nächste Schritt in die Zukunft.

Sollten wir Menschen zum Mars schicken? Geld in die Erforschung des Weltraums stecken? Wer diese Fragen uneingeschränkt mit „Ja“ beantwortet, wird oft ungläubig angeguckt. Es gäbe genug Probleme auf der Erde, Weltraumforschung sei Geldverschwendung, meinen die Kritiker. Zeit für ein Plädoyer.

Warum Mars?

Der Mars ist der einzige erdähnliche Planet, der in einer für uns überbrückbaren Distanz liegt. Er hat Tage mit 24 Stunden, eine Atmosphäre und ein Klima. Sogar die Hinweise auf Wasser mehren sich. Und es gibt plausible Theorien, die davon ausgehen, dass Leben sich erst auf dem Mars entwickelt hat und dann per Meteoriteneinschlag auf die Erde gelangt ist. Die ersten Erd-Immigranten sind demnach Bakterien gewesen, die starke Temperaturschwankungen und Weltraumstrahlung mögen.

Möglicherweise finden wir bei einer Marsexpedition den Beweis, dass Leben nicht über DNA kodiert werden muss. Das wäre ein weiterer Indikator dafür, dass wir im Universum nicht alleine sind. Forscher könnten auf dem Mars Antworten finden, die uns Marsbilder der Ferne wegen schuldig bleiben.

Aber Marsexpeditionen im Speziellen und Weltraumforschung im Allgemein ermöglichen uns nicht nur ein besseres Verständnis darüber, wer wir sind und woher wir kommen. Sie helfen uns im Alltag. Investitionen ins All sind deshalb alles andere als Geldverschwendung.

Weltraumtechnologie im Wohnzimmer

Im Rahmen von sogenannten Technologie-Transfer-Programmen werden Investitionen in Weltraumtechnologie zur Verbesserung für das Leben auf der Erde umgewandelt. Beispiele für diese Technologietransfers gibt es viele. Vor allem die US-amerikanische Raumfahrtbehörde NASA zeigt sich dabei sehr aktiv.

Brillen aus unzerkratzbarem Plastik wurden einst für Astronautenhelme, Akkuwerkzeuge für Bohrungen auf dem Mond entwickelt. Das Ohr-Thermometer nutzt Sensoren für Infrarotemissionen, die entwickelt wurden, um die Temperatur von Sternen und Planeten zu messen. Rotlicht-LED, die Pflanzen auf der Raumstation ISS wachsen lassen, werden zur Wundheilung und Schmerzreduktion bei chronischen Krankheiten eingesetzt. Eine Software – ursprünglich entwickelt, um Bilder von Raumsonden zu verarbeiten – wurde angepasst, um Herzkrankheiten mit Ultraschall zu diagnostizieren.

Solarzellen sind ebenfalls von der Raumfahrtbehörde NASA weiterentwickelt worden. Sie wurden dadurch preiswerter und effizienter. Auf der ISS ist sogar Urin ein Rohstoff, der mit sehr effizienten Wasserfiltern wieder zu Trinkwasser wird. NASA- Ingenieure halfen auch bei der Entwicklung von Lithium-Batterien für Elektroautos. Die Liste könnte so weitergehen.

Die NASA betreibt ihr Weltraumprogramm im Vergleich zu ihrem europäischen Pendant ESA ambitionierter. Das schlägt sich unter anderem in einem drei Mal so hohen Budget nieder. Nicht nur mit Blick auf mehrfach nutzbare Erfindungen sollte die ESA nachziehen.

Angesichts des Rückzugs der NASA aus dem gemeinsamen Marserforschungsprogramm und einem eher wissenschaftsfeindlichen US-Präsidenten ist das auch nötig. Europa steht vor der Aufgabe, das eigene Weltraumprogramm finanziell besser auszustatten und nach neuen Partnern zu suchen. Der Blick könnte langfristig in den Fernen Osten gehen, wo die Chinesen mit dem erfolgreichen Launch des ersten Quantum-Satelliten vor einem Jahr und den aktuell stattfindenden Forschungen zur Quantenkommunikation gerade demonstrieren, wo das zukünftige globale wissenschaftliche Zentrum liegen könnte.

Ein anderer Ansatz

Neben neuen Technologien für den Mars können wir auch weitere Lösungen für Erdprobleme finden. Thema Klimawandel. Der CO2-Zertifikatehandel zeigt, wie leblos und wirkungslos derartige Managementversuche anmuten. Langsam wird der Klimawandel auch in unseren Breiten offensichtlicher, und wenn auch nur wegen der Unmöglichkeit, das eigene Haus gegen Unwetterschäden zu versichern.

Der menschliche Geist bringt Großes zustande, neigt aber auch zur Kurzsichtigkeit. Wir sehen nur, was jetzt ist und denken zu wenig in die Zukunft – wenn wir nicht von einem großen Ziel inspiriert werden. Der US-amerikanische Astrophysiker Neil deGrasse Tyson hat das so ausgedrückt: „Wenn ich sage ‚Designt mir ein Flugzeug, das mit weniger Treibstoff arbeitet, weil das Land das jetzt braucht‘, bekomme ich keine wirklich transformativen, innovativen Lösungen. Wenn ich stattdessen sage ‚Wer will ein Luftfahrzeug bauen, das in der dünnen Atmosphäre des Mars funktioniert?‘ oder ‚Wir fliegen zum Mars. Wer will unbekannte Lebensformen studieren, die wir entdecken könnten?‘, dann kriege ich die besten Ingenieure und die besten Biologen, weil das ein Ziel ist, das dem Ehrgeiz der Studenten am besten entspricht.“ Der Mars kann uns also zu neuen Höhenflügen inspirieren.

 

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Debatte | Faszination Mars?

Contra | Erdrettung statt Weltraumeroberung



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