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Die Kanzlerkandidaten stehen – wer soll sie befragen?

Von Timotheus Tiger / 18. Oktober 2012
picture alliance / photothek | Raphael Huenerfauth

Ja, es ist noch ein Weilchen hin bis zum ersten Fernsehduell zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück. Sogar noch so lange, dass die SPD vorher noch am Schwielowsee tagen könnte. Doch gehen wir einfach einmal davon aus, dass es bei dieser Konstellation bleibt. Im nächsten Schritt werden irgendwann in den kommenden Monaten die Wahlkampfstäbe neu […]

Ja, es ist noch ein Weilchen hin bis zum ersten Fernsehduell zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück. Sogar noch so lange, dass die SPD vorher noch am Schwielowsee tagen könnte. Doch gehen wir einfach einmal davon aus, dass es bei dieser Konstellation bleibt.
Im nächsten Schritt werden irgendwann in den kommenden Monaten die Wahlkampfstäbe neu formiert und dann beginnen die Sondierungen zwischen Kandidaten und den deutschen TV-Networks. Steinbrücks Lager wird vorschlagen, 3-5 Duelle abzuhalten. Merkels Lager wird kontern, 0-1 Duell anzusetzen. Resultieren werden dann ein bis zwei Runden, die zeitgleich auf mehreren Programmen live übertragen werden.
Wie schon bei der letzten Wahl dürften die deutschen Radiosender erneut mit dem Vorstoß scheitern, ein eigenes zentrales Duell anzusetzen. Dabei ist die Idee faszinierend, Worte pur wirken zu lassen.

Somit kommen also wieder ARD, ZDF, RTL/n-tv und ProSiebenSat.1 zum Zuge. Bei RTL ist Peter Kloeppel gesetzt, für ProSiebenSat.1 dürfe erneut Peter Limbourg übernehmen. Und für ARD und ZDF? Ohne Zweifel Journalisten aus der ersten Reihe. Vielleicht darf diesmal Günther Jauch ran. Wird das ZDF Maybritt Illner durch Markus Lanz ersetzen?
Es ist egal. Denn keiner der Journalisten wird eine kritische Frage stellen. Das Kanzlerduell muss auf staatsmännischem Niveau moderiert werden, wohlsituierte Stichworte genügen, der folgende Wortschwall muss dann einzig und allein auf seine Länge getestet werden (Stoppuhr, ganz wichtig!) – dann ist schon wieder der Kollege vom anderen Network dran. Die US-TV-Duelle zwischen Barack Obama und Mitt Romney illustrieren derzeit, dass auch im Mutterland der Fernsehdebatten einzig die beiden Kandidaten im Vordergrund stehen und der Journalist auf die Rolle eines korrekt pomadierten Ringrichters reduziert wird.

Aber darf man nicht mal träumen? Vom Ende der Gesäßhierarchie und einer Neu-Besinnung auf journalistischen Gehalt? Einer der bekannteren Sprüche des Alten lautet: „Erfahrung heißt gar nichts. Man kann seine Sache auch 35 Jahre schlecht machen.“
Man stelle sich nur einmal vor, Fritz Küppersbusch würde die Arena übernehmen. Meinetwegen dürfte man ihn auch von einem Vertreter der konservativen Medienintelligenz begleiten lassen, wenn mir nur einer einfiele. (Siegmund Gottlieb? Hugo Müller-Vogg? Ulrich Reitz? Henning Krumrey? Egal, Hauptsache weder Friedman noch Markwort.)
Eine journalistische Sternstunde könnte daraus werden – und wenn schon nicht das Duell auf diese Weise aufgeladen werden kann, dann wäre ich zumindest für ein Kandidaten-Interview (live!) auf diesem Niveau dankbar. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Aber wenn ich nach der 19-Uhr-heute-Sendung den Vorspann von „Was nun, …?“ sehe, steht der Titel bei mir bereits für die Frage, was ich mir denn nun anschaue, ausgenommen das ZDF. Über „Zur Sache, Kanzler“ konnte man wenigstens noch lachen.

Deutschland und Europa stehen in den nächsten Jahren vor Schicksalsfragen, die als epochal bezeichnet werden können. 70 Jahre Frieden und Stabilität sehen sich plötzlich mit der Frage konfrontiert, wieviele Banken denn pleite gehen können, ehe in einem EU-Mitgliedsland der Bürgerkrieg ausbricht.
Vor diesem Hintergrund kann eine Fernsehdebatte der Kanzlerkandidaten oder ein Einzelinterview mit einem Bewerber in der journalistischen Tragweite gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Noch ist viel Zeit bis zur ersten Ausstrahlung – beinahe soviel wie für die Nachfolgersuche bei „Wetten, dass…?“. Hoffentlich findet man diesmal eine bessere Antwort.

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