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Wahlkampf zwischen Moschee und Dönerbude

Von Lale Akgün / 11. Oktober 2013
picture alliance / zb | Volkmar Heinz

Die Bundestagswahlen sind vorbei, die Sondierungsgespräche laufen, wer mit wem regiert ist offen, aber die Sieger und die Verlierer stehen fest. Die Wahlergebnisse werden jetzt aus allen Ecken und Perspektiven beleuchtet und analysiert. Warum gibt es genau diese Ergebnisse? Wie geht es weiter? Welche Köpfe werden rollen und so weiter …. Ich möchte über einen […]

Die Bundestagswahlen sind vorbei, die Sondierungsgespräche laufen, wer mit wem regiert ist offen, aber die Sieger und die Verlierer stehen fest. Die Wahlergebnisse werden jetzt aus allen Ecken und Perspektiven beleuchtet und analysiert. Warum gibt es genau diese Ergebnisse? Wie geht es weiter? Welche Köpfe werden rollen und so weiter ….

Ich möchte über einen Aspekt schreiben, der mich schon lange umtreibt und auch in diesem Wahlkampf. Moderne Wahlkampfkonzeptionen gehen von Zielgruppen aus.

Für die Parteien und ihre Agenturen scheint eine Zielgruppe sehr sauber definierbar zu sein:

DIE MIGRANTEN! Seitdem sich bis ins hinterste Bank der Fraktionen durchgesprochen hat, dass auch Migranten wählen dürfen, werden sie als eine interessante Zielgruppe betrachtet; schließlich kommt es auf jede Stimme an, nicht wahr? Wer sagt denn, dass nicht ausgerechnet die Stimmen der Migranten der Ausschlag geben könnte. Also „kümmern“ wir uns.

Aber wie? Wer sind die Migranten? Wie erreicht man sie?

Wenn man vom letzten Wahlkampf ausgeht, dann scheint es den Parteien klar zu sein, wer  die Migranten sind: es sind die Türken und die Muslime; eigentlich fallen die beiden Gruppen zusammen! Also macht man Wahlkampf für die türkischen Muslime.

Und durch welche Besonderheiten wird diese Gruppe (fälschlicherweise!) definiert?

Sie spricht kein Deutsch, geht immerzu in die Moschee und sie verzehrt im großen Ausmaß Döner!

Damit ist auch dem letzten Parteistrategen klar, was man tun muss, um  diese Gruppe zu  erreichen:

Man gibt türkischsprachige Anzeigen in türkischen Zeitungen auf, der Kandidat bzw. die Kandidatin  geht in die Moschee und lässt sich in der Dönerbude ablichten. Möglichst mit einer Dönertasche in der Hand! O la la! Das ist ja so authentisch!

Wer auf der ganz sicheren Seite sein will, hängt in Stadtteilen mit mehrheitlich „migrantischer“  Bevölkerung türkische Wahlplakate auf!  Da steht dann statt „Ihr Kandidat“ „Adayiniz!“  drauf. Das wird sicher von allen verstanden und macht auch noch gute Stimmung!

Von wegen!

Allen Kandidaten von allen Parteien ins Stammbuch: Wenn man dieses  obige Rezept umsetzt, hat man die Stimmen der Migranten  ganz sicher verloren.

Denn die sogenannte migrantische  Zielgruppe ist längst eine Querschnitt durch die Bevölkerung geworden,  sie hat außer Türken und Muslimen 100 andere Gruppierungen, die meisten Muslime können   mehr Deutsch  als sich Politiker in ihren kühnsten Träumen vorstellen können und  außerdem soll  es auch (man glaubt es kaum) atheistische Türken geben!

Ja mehr, mit solchen Wahlkampfmethoden beleidigt man  geradezu  diejenigen, die politisch interessiert sind und wählen gehen werden.

Kurzum: die Parteien  machen Wahlkampf für die „anderen“. Diesmal sind  aber mit den „anderen“ diejenigen gemeint, die weder eingebürgert sind noch politisch interessiert! Schade um das schöne Geld für den überflüssigen Wahlkampf!

Ich möchte all diejenigen fragen, die den ganzen Tag was von Integration reden, aber nichts tun: was habt Ihr eigentlich für ein Bild von den Migranten? Ist das Euer Verständnis von Integration?

Und ich möchte Ihnen zurufen: Hört auf damit, die Migranten zu simplifizieren und auf Stereotype zu pressen.  Die Migranten sind überall dort, wo auch die anderen sind! Am Arbeitsplatz, im Sportverein, in der Schule, im Supermarkt. Behandelt sie doch endlich so, wie Ihr all die anderen Wahlberechtigten behandelt! Sonst wird diese Gesellschaft nie so zusammenwachsen wie sie es eigentlich sollte.

Eine Antwort zu “Wahlkampf zwischen Moschee und Dönerbude”

  1. Von Axel Uhlig am 19. Oktober 2013

    Einerseits finde diese polemische Wahlnachlese schon interessant.
    Anderseits wage ich trotzdem energischen Widerspruch:
    Leider trifft man z.B. die Migranten mit türkischen Wurzeln eben keineswegs überall im Alltag!
    In den 20 Jahren als Software-Entwickler für Telefonie bei Siemens bzw. IBM traf ich auf mehrere Polen, 1 Slowaken, 3 Russen, einige Chinesen in meiner Abteilung. Jemand türkischstämmiges war nicht dabei.
    Im Jahr 2012 war ich Regionalbeauftragter des Humanistischen Verbandes für Friedrichshain-Kreuzberg. Dieser Verband ist wahrscheinlich die mitgliederstärkste Organisation definitiv atheistischer Ausrichtung in Berlin mit vielen 1000 Mitgliedern.
    Leider traf ich aus dem genannten Stadtbezirk, wo Türkischstämmmige zahlreich vertreten sind, auf kein Mitglied dieser Herkunft.

    Häufig besuche ich klassische Konzerte. Türkischstämmige sind da in Berlin so gut wie unbekannt. Dabei gibts offenbar keine grundlegende Aversion: Letzten Herbst erlebte ich in der Bonner Beethovenhalle ein tolles Konzert des staatlichen türkischen Jugendorchesters. Nach einer Rede des türkischen Botschafters spielten diese Musiker ganz wunderbar und das Publikum spendete begeistert Beifall.
    Ist es denn nicht immer noch so, dass es sehr unterschiedliche kulturelle Vorlieben gibt?
    Ich freue mich, dass viele türkischstämmige Mädchen sich für Abitur und Studium begeistern. Aber warum so wenige Jungen?
    Spielt da die häufig kleinbäuerliche Herkunft der früheren Generationen eine große Rolle, wo höhere Bildung einfach nie zur Tradition gehörte?
    Das kann man natürlich niemandem vorwerfen.
    Anderseits ist es seit Jahrzehnten notwendig, sich von überholten, hinderlichen Traditionen zu befreien.
    Jedenfalls ist bei bestimmten Migrantengruppen eine deutliche Abschottung in Parallelgesellschaften zu bemerken.
    Teilweise sind daraus künftige Konflikte zu befürchten.
    Währenddessen bemühen sich z.B. Migranten aus Vietnam und anderen Fernöstlichen Ländern auffällig, ihren Kindern ein hohe Bildung zu vermitteln. Damit wird diesen Heranwachsenden auch eine gute Chance vermittelt, eine erfolgreiche berufliche Karriere zu erreichen.
    Ebenfalls haben sie aber auch beste Möglichkeiten, das alltägliche Zusammenleben der Bürger auf hohem Niveau mitzugestalten, sei es als Unternehmer, Abgeordneter, Ehrenamtllicher oder Politiker.

    Freundliche Grüße
    A. Uhlig

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