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DebatteCONTRA: Konstruierte Langeweile

Von kamilachilewski / 8. Mai 2014
picture alliance / dpa | Maurizio Gambarini

TV-Duelle scheinen die Höhepunkte eines jeden Wahlkampfes zu sein. Dabei erzeugen sie bloß Aufmerksamkeit – ohne jeglichen inhaltlichen Mehrwert. Von Julian Heck Ein verbaler Schlagabtausch zwischen den Spitzenkandidaten, eine kantige Debatte über inhaltliche Ausrichtungen und ein Kampf für die eigenen Positionen – all das könnte ein TV-Duell sein. Weil es aber nicht wirklich so ist, […]

TV-Duelle scheinen die Höhepunkte eines jeden Wahlkampfes zu sein. Dabei erzeugen sie bloß Aufmerksamkeit – ohne jeglichen inhaltlichen Mehrwert.

Von Julian Heck

Ein verbaler Schlagabtausch zwischen den Spitzenkandidaten, eine kantige Debatte über inhaltliche Ausrichtungen und ein Kampf für die eigenen Positionen – all das könnte ein TV-Duell sein. Weil es aber nicht wirklich so ist, können die Politiker auch gerne in ihrem Büro und die Fernsehkameras ausgeschaltet bleiben.

Das TV-Duell im vergangenen Bundestagswahlkampf hatte zwei Hauptthemen. Während des Duells wurde über Merkels Halskette (Schlandkette) diskutiert, im Nachhinein über den neuen Polit-Moderator Stefan Raab. Das eigentliche Duell zwischen Kanzlerin Merkel und Herausforderer Steinbrück bewertete man in den Medien als ein klares Unentschieden. Das lag nicht daran, dass beide Kontrahenten einen so harten Kampf eingingen und beide fast gleichauf überzeugten. Stattdessen war es ein netter Austausch über die Wahlprogramme, bei dem keiner hervortrat. „Die Wähler haben im Bundestags-Wahlkampf mehr verdient als solche müden Veranstaltungen.“, schrieb Roland Nelles auf Spiegel Online. Wer sich vor dem Duell nicht für die Bundestagswahl interessierte, der tat es danach auch oder erst recht nicht.

Langweiliges Reality-TV

Dass TV-Duelle nicht das sind, worauf die Menschheit gewartet hat, ist allerdings nicht alleine die Schuld der teilnehmenden Politiker. Es sind auch – oder sogar vor allem – die Bedingungen, die solch ein TV-Ereignis umrahmen. Die Moderatoren sind oftmals darauf getrimmt, nur abgesteckte Themenfelder anzusprechen und bloß nicht zu kritisch nachzuhaken, insofern dafür überhaupt Zeit bleibt. Denn die Zeit ist mehr als knapp. In wenigen Minuten werden ganze Themenfelder abgehakt, die eigentlich Tage und Wochen inhaltlicher Auseinandersetzung voraussetzen, um sich ein Bild von ihnen machen zu können.

Kein Wunder also, dass die Spitzenkandidaten kaum mehr von sich geben als zusammengefasste Aussagen des Wahlprogramms. Der Kommunikationswissenschaftler Carsten Reinemann meint sogar, dass die Politiker selbst dann nicht mehr ins Detail gehen und polarisierender agieren würden, wenn sie es zeitlich könnten: „Die Zuschauer lassen sich von eher allgemeinen, wenig konkreten Aussagen beeindrucken. Für die Kandidaten ist es deshalb eine vielversprechende Strategie, nicht so sehr ins Konkrete zu gehen, sondern eher im Allgemeinen zu bleiben.“

Statt von einem verbalen Schlagabtausch sind TV-Duelle von einem parallelen Vorbeten der Wahlprogramme geprägt. Immerhin ist so ein „Hörspiel“ leichter verdaulich als eine Lektüre des Wahlprogramms im Original. Das Fernsehduell ist in seinem Ablauf jedoch zu strikt durchgeplant, zu konstruiert, wodurch viele Themen nur angerissen und nicht vertieft werden können. Nachfragen sind aufgrund von Zeitvorgaben kaum möglich. Von einem Duell kann man nun wirklich nicht sprechen, stattdessen eher von langweiligem Reality-TV.

Problemfall: Europa

Es ist davon auszugehen, dass Politikinteressierte nach dem Duell kaum schlauer sind als vorher und Politikdesinteressierte sich nicht durch Inhalte, sondern eher durch die Persönlichkeiten zur einen oder anderen Seite hingezogen fühlen – sofern das Format auf sie überhaupt eine Wirkung hat. Deshalb haben Duelle einen geringen inhaltlichen Mehrwert und fokussieren mehr die Spitzenkandidaten selbst als ihre politischen Aussagen.

Hinzu kommt bei der Europawahl, dass der Anlass der Wahl keiner ist, der Massen anzieht. Das liegt daran, dass Europa-Politiker wie auch europäische Themen für die meisten Bürger im Alltag wenig präsent sind. Sie haben in einem TV-Duell also zwei oder mehr völlig unbekannte Gesichter vor sich, die sich zu Themen äußern, zu denen die Zuschauer keinen allzu großen Bezug haben. Das Problem der inhaltlichen Oberflächlichkeit bei TV-Duellen kommt hier noch stärker zum Tragen: Noch unbekanntere Themen, präsentiert von noch unbekannteren Personen in viel zu kurzer Zeit.

Motivationsschwierigkeiten

Die Motivation der Bürger, sich ein TV-Duell der Spitzenkandidaten zur Wahl des EU-Kommissionspräsidenten anzuschauen, dürfte also überschaubar sein. Wer sich für Europapolitik nicht interessiert und auch mit den Persönlichkeiten nichts anfangen kann, der wird sich kaum vor den Fernseher bewegen und irgendwelche Spartenkanäle anschalten. Und damit wären wir bei einem weiteren Aspekt, der die geringe Bedeutung eines Europawahl-Fernsehduells verdeutlicht: Das Duell mit allen Kandidaten wird nämlich nicht im Hauptprogramm übertragen. Statt es – wie vor Bundestagswahlen üblich – in ARD und ZDF zu zeigen, läuft das Duell auf dem Parlamentssender Phoenix. Lediglich das Duell zwischen den Favoriten Juncker und Schulz wird im ZDF übertragen.

Weshalb sollte also noch auf TV-Duelle gesetzt werden? „Die stärkere Personalisierung von Europapolitik durch die Aufstellung von Spitzenkandidaten und die Durchführung von TV-Duellen sind grundsätzlich ein richtiger Ansatz“, sagt der Kommunikations- und Politikberater Martin Fuchs. „So bekommt Europa ein Gesicht und der Wahlkampf weckt mehr Interesse in der Bevölkerung.“ Ein TV-Duell ist definitiv ein Ereignis, das Aufmerksamkeit in der Bevölkerung erzielt. Ob es die Wahlbeteiligung in allen Ländern erhöht und zu einer überlegten, informierten Wahlentscheidung beiträgt, ist jedoch fraglich. Fuchs: „Ob die TV-Duelle auch nur einen Wähler mehr in Portugal, Finnland oder Österreich an die Urne führen, wage ich stark zu bezweifeln.“

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