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Nach dem Abschluss kommt die Leere

Von Alrik Schubotz / 7. Juni 2016
picture alliance / ZB | Sascha Steinach

Für viele ist der Studienabschluss gleichbedeutend mit dem Beginn des „Ernst des Lebens“: Ein Arbeitsplatz will gefunden, das eigene Geld verdient werden. Anstelle der Gewissheit um Doppelhaushälfte und Auto stehen nach Abschluss meines Masterstudiums jedoch ganz viele Fragezeichen.

Zunächst war ich erleichtert. Das Gefühl, nach acht Jahren Sozialwissenschaftsstudium meine Abschlussarbeit zu verteidigen und lobendes Feedback von langjährigen Dozenten zu erhalten, gab mir das Gefühl, etwas erreicht zu haben.

Gemäß meiner Abschlusszeugnisse bin ich nun also überdurchschnittlich gut ausgebildet und besitze mehrere durchaus vermarktbare Erfahrungswerte, Kenntnisse und Fähigkeiten. Ich habe in drei Ländern studiert, spreche fünf Sprachen fließend, habe für staatliche Institutionen und Nichtregierungsorganisationen gearbeitet. Ich beherrsche theoretisches und methodologisches Werkzeug zur Analyse komplexer politischer und gesellschaftlicher Sachverhalte.

Wahrscheinlich wären Hoffnungen gerechtfertigt, nun alsbald bei einem Beratungsunternehmen Karriere machen zu können oder anderweitig ein produktives Glied globalisierter Wertschöpfungsketten zu werden. So richtig Freude mag bei mir bei dem Gedanken jedoch nicht aufkommen.

Eine Studie der Hochschulinformationssystem GmbH aus dem Jahr 2013 kommt zu dem Schluss, dass Sozialwissenschaftler zwar langfristig mit guten Beschäftigungsaussichten rechnen können, im Vergleich zu Absolventen anderer Disziplinen aber einen relativ schwierigen Berufsstart erleben.

Was habe ich gelernt?

Acht Jahre lang habe ich mich vordergründig mit internationalen Transformations- und Entwicklungsprozessen, mit Möglichkeiten und Bedingungen politischen Wandels sowie gesetzlichen und materiellen Veränderungen beschäftigt. Meine Masterarbeit schrieb ich darüber, wie sexuelle und geschlechtliche Minderheiten ihre rechtlichen Forderungen erfolgreich durchsetzen können.

Obwohl ich glaube, dass ich in diesen acht Jahren gelernt habe, wissenschaftlichen Fragestellungen analytisch kompetent nachzugehen, schleicht sich doch das Gefühl ein, noch immer keine wirklich zufriedenstellende Antwort auf Grundfragen liefern zu können. Vielleicht bin ich auch nicht in der Lage, die richtigen Fragen zu stellen.

Es könnte eng werden

Meine Kombination von nicht vollkommen verdrängtem Idealismus und einer mittlerweile anatomischen Neugier für das Verständnis von politischen Aushandlungsprozessen hat mich zu dem Entschluss bewogen, der Uni erst einmal treu zu bleiben. Ich arbeite derzeit an einer Bewerbung zur Promotion. Dafür muss ich bis September ein einigermaßen sinnvolles Forschungsvorhaben zu Papier gebracht haben.

Der Übergang vom Master zur Promotion verläuft selten reibungslos. Förderinstitutionen wie die Studienstiftung des Deutschen Volkes zahlen ihre Stipendien nur bis zum Abschluss der letzten Prüfung im Master. In der Übergangszeit zur Promotion müssen sich die meisten ehemaligen Studierenden also selbst finanzieren.

Ich habe derzeit vier Jobs, drei davon basieren auf Werkverträgen. Zudem ist eine der Tätigkeiten davon abhängig, dass ich meinen Studierendenstatus beibehalte. Noch nie war ich so sehr darauf angewiesen, meine rudimentäre Befähigung zum Zeitmanagement bis aufs Ganze auszureizen.

Halt und helfende Hände

Dabei den Überblick zu behalten und die Motivation nicht zu verlieren, gelingt mir derzeit nur durch die Unterstützung meines sozialen Umfelds. Ich kann mich zurückziehen und abschalten, Partner, Freunde und Familie sind für mich da. Im Zweifelsfall kann ich mit bedingungsloser Rückendeckung rechnen. Das hilft mir, das Gefühl zu wahren, dass es irgendwie vorangeht.

Wenn ich darüber nachdenke, inwiefern sich mein Leben verändert hat, seit ich mein Masterstudium beendet habe, sind die Grundsorgen hinsichtlich meiner Existenzsicherung nicht weniger geworden. Vertraglich festgelegte Projektdeadlines lassen sich leider auch nicht so einfach verschieben wie das Abgabedatum von Hausarbeiten. Im Großen und Ganzen habe ich nicht das Gefühl, etwas beendet zu haben und vor einem Neuanfang zu stehen. Zu sehr wiegt der Eindruck meiner eigenen Unfertigkeit.

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